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Staatsangehörigkeit, Nationalismus und die nicht-Assimilation von Arbeitsmigranten in den GCC-Staaten | Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrats (GCC) | bpb.de

Staatsangehörigkeit, Nationalismus und die nicht-Assimilation von Arbeitsmigranten in den GCC-Staaten

Onn Winckler

/ 6 Minuten zu lesen

"Trotz ihrer großen Zahl haben Migranten nur ein temporäres Aufenthaltsrecht, sie haben keinen Zugang zur Staatsangehörigkeit und nur eine begrenzte gesellschaftliche Mitgliedschaft – Bedingungen, die die Golfstaaten von anderen Zielländern unterscheiden" (Philippe Fargues 2011, S. 273; Übersetzung durch die Redaktion).

Die Form der Entwicklung der Nationalität in den Ölstaaten der persischen Golfregion war hauptsächlich das Ergebnis von drei Ereignissen, die fast gleichzeitig stattfanden: erstens, der Rückzug Großbritanniens aus der Golfregion; zweitens, die Übernahme der Kontrolle über die Ölproduktion durch die sogenannten oil majors und drittens, die Transformation von armen Staaten mit traditionellen Wirtschaftsstrukturen hin zu reichen Rentenökonomien im Anschluss an den Ölboom im Oktober 1973.

Fortbestehen traditioneller Zugehörigkeitsformen

Mithilfe des rentenökonomischen Ansatzes gelang es den Herrscherfamilien der GCC-Staaten, die politische Identität der einheimischen Bevölkerung in Richtung traditioneller Formen von Stammes-, religiösen und Familienidentitäten zu kanalisieren und so die Entwicklung einer modernen politischen Identität basierend auf dem Prinzip des säkularen Nationalismus zu verhindern. Eine solche moderne politische Identität hätte die Autorität der Herrscherfamilien untergraben und ihre Herrschaft infrage gestellt. Tatsächlich wurde in keinem der Ölstaaten in der Golfregion je eine nationalistische oder andere moderne ideologische Partei oder gar eine derartige politische Bewegung gegründet. Opposition gegenüber den herrschenden Familien besteht, wenn überhaupt, lediglich in Form der traditionellen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten (in Bahrain und Saudi Arabien) und im islamischen Fundamentalismus (hauptsächlich in Saudi Arabien).

Um die traditionellen sozio-politischen Strukturen zu wahren, die darauf beruhen, dass Individuen nicht als autonom, sondern vielmehr als Teil eines bestimmten Stammes, einer urbanen Großfamilie oder einer Religionsgemeinschaft angesehen werden, behandelten die regierenden Familien in der Golfregion von Beginn des Ölzeitalters an Arbeitsmigration als ein temporäres Phänomen, das sich durch die Nationalisierung der Erwerbsbevölkerung mittelfristig auflösen würde. Daher werden Ausländerinnen und Ausländer, obwohl sie teilweise schon zur zweiten oder gar dritten Migrantengeneration zählen, weiterhin als temporäre Zuwanderer betrachtet. Das extremste Beispiel dieser Temporarität war die Abschiebung von Jemeniten aus Saudi Arabien und von Palästinensern und Jordaniern aus Kuwait, die vermeintlich während der Kuwait-Krise 1990/1991 die irakische Seite unterstützten.

Die Gesellschaftspyramide in den GCC-Staaten

Das Resultat dieser klaren Dichotomie zwischen Staatsangehörigen der GCC-Staaten und Ausländern war die Herausbildung einer extremen sozioökonomischen und politischen Polarisierung in diesen Ländern: An der Spitze der Hierarchie stehen die herrschenden Familien, gefolgt von den angesehensten alteingesessenen Unternehmerfamilien sowie den Anführern der Beduinenstämme. Am unteren Ende der Hierarchie stehen die übrigen Staatsangehörigen, die alle auf gewisse Art und Weise einem bestimmten Stamm oder einer urbanen Großfamilie angehören. Während in demokratischen Industriestaaten Individuen als Basis der Gesellschaft verstanden werden, beruht die Gesellschaft der GCC-Staaten auf erweiterten Sippschaften, welche zwischen dem Staat bzw. der Herrscherfamilie und den einzelnen Individuen vermitteln (Patrick 2012, S. 51-52).

In Saudi Arabien und Bahrain teilen sich die Einheimischen in Sunniten, die die sozio-politische Elite stellen und Schiiten, die die unterste Bevölkerungsschicht bilden, obwohl sie im Falle von Bahrain numerisch die große Mehrheit der einheimischen Bevölkerung repräsentieren. Longva (2000, S. 190) hat diesbezüglich bemerkt: "Überall in den arabischen Golfstaaten haben Schiiten das Problem, dass ihnen aufgrund ihres Glaubens und ihrer real existierenden oder mutmaßlichen Verbindungen mit dem Iran mangelnde Loyalität zugeschrieben wird" (Übersetzung durch die Redaktion). Die Diskriminierung der Schiiten in alle GCC-Staaten zeigt mehr als alles andere die Inexistenz einer "säkularen Nationalität", stattdessen verweist sie darauf, dass Loyalität auf der Basis traditioneller Formen von religiösen, familiären oder Stammeszugehörigkeiten definiert wird.

In den letzten Jahren haben die herrschenden Familien in den GCC-Staaten jedoch begonnen, in die Herausbildung einer modernen nationalen Identität zu investieren, die auch auf Vorstellungen eines gemeinsamen Erbes beruht. Ein Grund dafür liegt in der Entwicklung einer klaren politischen Einheit, die es ermöglicht, zwischen Einheimischen und Ausländern zu unterscheiden. Diese Bemühungen werden, wenn überhaupt, erst in ferner Zukunft Erfolg haben.

Die oberste Schicht der ausländischen Arbeitskräfte bilden westliche Fachkräfte wie Ingenieure, Ärzte oder Manager von großen Konzernen, Banken, Versicherungsgesellschaften, Hotels etc. Etwas unter ihnen in der Hierarchie sind Fachkräfte aus arabischen Ländern angesiedelt, die als Lehrer, Dozenten an Hochschulen oder in sonstigen qualifizierten Tätigkeitsbereichen arbeiten. Am unteren Ende der Hierarchie stehen zum einen ungelernte Arbeiter aus verschiedenen nicht-arabischen Ländern, überwiegend aus Zentral- und Südost-Asien, zum anderen aber auch Arbeitskräfte, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind. Den niedrigsten Rang nehmen Hausangestellte ein, wobei es sich vor allem um Asiatinnen handelt (Naithani 2010, S. 101; Dito 2008, S. 12). Dadurch entsteht in den GCC-Staaten ein weites Spektrum von Rechten. Während die herrschenden Familien am obersten Ende der Gesellschaftspyramide alle Rechte haben, sind die Frauen, die als Hausangestellte arbeiten und überwiegend aus Indien, Sri Lanka und den Philippinen stammen, weitgehend rechtlos.

Familiennachzug und Einbürgerung

Darüber hinaus hängt das Recht des Familiennachzugs von einem Mindestverdienst ab. Daher genießen nur jene, die im öffentlichen Sektor und in leitenden Positionen in der Privatwirtschaft arbeiten, dieses Privileg. Angestellte in nicht-qualifizierten Tätigkeitsfeldern im Privatsektor dürfen ihre Familien nicht nachholen. Sie verdienen zudem so wenig, dass sie, selbst wenn sie das Recht hätten, ihre Familie nachzuholen, diese in den Golfstaaten nicht finanziell versorgen könnten.

Während Migrationsverläufe in der westlichen Welt also typischerweise so aussehen, dass Zuwanderer nach einer bestimmten Zeit, häufig nach nur wenigen Jahren, ihre Familien nachholen und alle schließlich Staatsangehörige des Aufnahmelandes werden, sieht die Situation in den Ölstaaten der Golfregion vollkommen anders aus. Die Obrigkeiten versperren fast vollständig die Option der Einbürgerung ausländischer Arbeitskräfte, selbst wenn es sich um Muslime und Araber handelt, die bereits seit Jahrzehnten im Land leben. Es muss angemerkt werden, dass selbst die Ehe eines ausländischen Mannes mit einer weiblichen Staatsangehörigen der Golfstaaten dem Ehemann keinen Zugang zur Staatsangehörigkeit verschafft. Eine ausländische Frau, die einen männlichen Staatsangehörigen der Golfstaaten heiratet, erhält hingegen die Staatsangehörigkeit des Aufnahmelandes. Der Grund für diesen Unterschied liegt im islamischen Recht, der Scharia, die besagt, dass die Religion der Kinder derer des Vaters folgt. Daher handelt es sich bei der Mehrzahl derjenigen, denen doch die Staatsangehörigkeit eines der GCC-Staaten zugesprochen wurde, um Frauen, die einen männlichen Staatsangehörigen der Golfstaaten geheiratet haben. In Oman bedarf die Ehe mit einem Ausländer oder einer Ausländerin der vorherigen Genehmigung durch das Innenministerium (U.S. Department of State 2008, S. 2117).

Die Geburt in den GCC-Staaten führt ebenfalls nicht dazu, dass das Neugeborene ein Recht auf die Staatsangehörigkeit oder einen permanenten Aufenthalt hat. Männliche Nachkommen von ausländischen Arbeitsmigranten dürfen bis zu ihrem 21. Lebensjahr bei ihren Eltern leben, weibliche Nachkommen bis sie verheiratet sind (Shah 2009, S. 8). Nur in Ausnahmefällen spricht der Herrscher einem Ausländer die Staatsangehörigkeit zu, wenn dieser für das Land "herausragende Dienste" geleistet hat. In jüngster Zeit ist die strenge Einbürgerungspolitik v.a. gegenüber Männern etwas gelockert worden, so können in seltenen Fällen Fachkräfte, die seit langem im Land leben und deren Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt besonders benötigt werden, die Staatsangehörigkeit erlangen. In jedem Fall ist die Zahl ausländischer Männer, denen die Staatsangehörigkeit zugesprochen wurde, im internationalen Vergleich extrem niedrig. Fargues und Brouwer (2012, S. 245) bemerkten dazu: "Die GCC-Staaten versuchen die Einbürgerung soweit wie möglich zu begrenzen" (Übersetzung durch die Redaktion).

Die Politik der GCC-Staaten gegenüber Flüchtlingen und Staatenlosen (Bidun)

Die GCC-Staaten betreiben eine der weltweit striktesten Flüchtlingspolitiken. Bislang hat keines der GCC-Länder die 1951 verabschiedete Genfer Flüchtlingskonvention oder das 1967 in Kraft getretene Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge unterzeichnet. Einerseits aufgrund ihrer Nähe zu Regionen mit einem hohen Flüchtlingsaufkommen, andererseits aber auch aufgrund ihres hohen Lebensstandards fürchten die GCC-Staaten den massenhaften Zustrom von Flüchtlingen. Im Falle von Oman werden - mit Ausnahme von Somaliern - Flüchtlinge aller Nationalitäten, die sich illegal im Sultanat aufhalten, in Lagern interniert und gewöhnlich innerhalb von einem Monat in ihre Herkunftsländer abgeschoben (U.S. Department of State 2008, S. 2120). Insgesamt hält sich nur eine sehr geringe Zahl von Flüchtlingen in den GCC-Staaten auf. Diese reicht von ein paar Dutzend Personen in Katar und Oman zu einigen zehntausend in Kuwait (World Bank Data/Daten der Weltbank), wobei es sich mehrheitlich um Palästinenser handelt, die seit Jahrzehnten im Land leben und um Iraker, die vor dem Krieg in ihrem Heimatland flohen. Diese Flüchtlinge werden aber nicht als solche anerkannt, sondern gelten vielmehr als Teil der ausländischen Erwerbsbevölkerung (U.S. Committee for Refugees and Immigrants 2001). Der Einsatz der GCC-Staaten im Bereich des Flüchtlingsschutzes beschränkt sich hauptsächlich auf die Zahlung großzügiger Spenden an das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und an andere Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich weltweit für Flüchtlinge einsetzen, speziell für solche in islamischen Ländern.

Ein Hauptproblem in der Golfregion ist dasjenige staatenloser Personen, sogenannter Bidun*, die sich hauptsächlich auf Kuwait, Saudi Arabien und die VAE verteilen. Obwohl sie bereits ihr gesamtes Leben in den Golfstaaten verbracht haben, werden diese Personen nicht als Staatsbürger anerkannt; der Zugang zu kostenlosen staatlichen Dienstleistungen und sogar zu Pässen wird ihnen verwehrt. Bedeutung hat das Thema der Bidun vor allem in Kuwait, wo sie besonders zahlreich vertreten sind. Obwohl die kuwaitische Regierung zahlreichen Bidun die Staatsangehörigkeit gewährt hat und sich ihre Zahl von 250.000 vor der irakischen Invasion auf 113.000 im Jahr 2001 verringert hat, stellen sie immer noch einen bedeutenden Anteil an der nicht-ausländischen Bevölkerung. In Saudi Arabien lebten 2001 Schätzungen zufolge rund 70.000 Bidun (UNHCR 2007, S. 4; U.S. Committee for Refugees and Immigrants 2001). Für die VAE liegen keine klaren Zahlen vor. Laut Angaben der Regierung beläuft sich die Zahl der Bidun auf nur 10.000; nicht-offizielle Schätzungen gehen von bis zu 100.000 staatenlosen Personen aus (ECHR 2012; Bloomberg News 30. März 2008).

*Der Begriff bidun jinsyah stammt aus dem Arabischen und bedeutet "ohne Nationalität" bzw. "staatenlose Person". Die große Mehrheit der Bidun in der Golfregion sind Beduinen, die vor der Zeit der Gründung der heutigen Golfstaaten in den Gebieten an der Westküste der Arabischen Halbinsel umherzogen. Sie waren noch nicht sesshaft zu dem Zeitpunkt, als die Obrigkeiten der neu gegründeten Staaten den jeweiligen lokalen Bevölkerungen die Staatsangehörigkeit verliehen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Bei den sogenannten "oil majors", die manchmal auch "die sieben Schwestern" (the seven sisters) genannt werden, handelt es sich um sieben internationale Ölkonzerne (fünf amerikanische und zwei europäische), die zwischen Mitte der 1940er und Mitte der 1970er Jahre zusammen über 90 Prozent der gesamten internationalen Ölindustrie außerhalb der USA und der ehemaligen Sowjetunion kontrollierten.

  2. Es gibt keine offiziellen oder verlässlichen Daten über die Verteilung der Religionszugehörigkeit der einheimischen Bevölkerung Bahrains. Inoffizielle Daten besagen, dass zwischen 55 Prozent und 60 Prozent der Bevölkerung Schiiten sind, der Rest, die Herrscherfamilie eingeschlossen, sind Sunniten (Vgl. z.B. MEED 6.-12. April 2012, S. 38-39).

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Onn Winckler für bpb.de

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Onn Winckler ist Professor am Department of Middle Eastern History an der Universität Haifa. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich politische Demographie und Wirtschaftsgeschichte des Mittleren Ostens.
E-Mail Link: owinkler@univ.haifa.ac.il