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Die Auswirkungen des rentenökonomischen Charakters der GCC-Staaten auf die Arbeitsmärkte | Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrats (GCC) | bpb.de

Die Auswirkungen des rentenökonomischen Charakters der GCC-Staaten auf die Arbeitsmärkte

Onn Winckler

/ 8 Minuten zu lesen

Insgesamt gibt es fünf Hauptcharakteristika, die anzeigen, wie die Rentenökonomie die Arbeitsmärkte der GCC-Staaten verzerrt: die Abhängigkeit einheimischer Arbeitnehmer von Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Sektor, die extrem niedrigen Erwerbsquoten, die niedrigen Produktivitätsraten, ein inadäquates Qualifikationsniveau und unzureichende berufliche Fähigkeiten und die große Zahl der Hausangestellten.

Insgesamt gibt es fünf Hauptcharakteristika, die anzeigen, wie die Rentenökonomie die Arbeitsmärkte der GCC-Staaten verzerrt:

  1. Fast vollständige Abhängigkeit einheimischer Arbeitnehmer von Beschäftigungsmöglichkeiten im öffentlichen Sektor.

    Mit Ausnahme von Oman, wo viele der Einheimischen als Selbstständige in der Land- und Fischereiwirtschaft tätig sind, arbeitet die große Mehrheit der einheimischen Erwerbspersonen in den GCC-Staaten im öffentlichen Sektor, während ausländische Arbeitskräfte in der Privatwirtschaft dominieren. Katar ist hierfür das deutlichste Beispiel: Im Jahr 2011 stellten Einheimische nur 0,5 Prozent (!) aller im Privatsektor beschäftigten Personen (Katar, SA, LFSS-2011, S. 11). Im Fall von Kuwait und den VAE waren 2010 mehr als 90 Prozent der einheimischen Arbeitnehmer im öffentlichen Sektor angestellt (Baldwin-Edwards 2011, S. 14). Forstenlechner und Rutledge (2010, S. 42) bemerken diesbezüglich: "Der Hauptgrund dafür, dass Einheimische keine Berufskarriere im Privatsektor anstreben, ist, dass die Stellen im öffentlichen Sektor so viel attraktiver sind – sie sind besser bezahlt und die Arbeit ist weniger beschwerlich" (Übersetzung durch die Redaktion). Al-Dosary und Rahman (2005, S. 500) merken an, dass sich der öffentliche Sektor in den GCC-Staaten zu einem "umfrangreichen sozialen Wohlfahrtssystem" (Übersetzung durch die Redaktion) entwickelt hat.

    Die große Mehrheit der Staatsangehörigen der GCC-Staaten, die im Privatsektor beschäftigt ist, arbeitet in "sauberen", d.h. nicht körperlich belastenden Angestellten-Verhältnissen (white-collar jobs). In Saudi Arabien waren im Jahr 2010 89,9 Prozent der insgesamt 62,574 als Verwaltungsdirektoren oder kaufmännische Geschäftsführer angestellten Personen im öffentlichen Sektor saudische Staatsangehörige. 171.033 der insgesamt 179.331 Büroangestellten, also 95,4 Prozent waren saudische Staatsangehörige. In der Landwirtschaft hingegen ergibt sich ein völlig anderes Bild. Hier hatten nur 8.880 der insgesamt 492.440 Beschäftigten, also nur 1,8 Prozent die Staatsangehörigkeit Saudi Arabiens. Obwohl dazu keine offiziellen Daten vorliegen, kann doch angenommen werden, dass die Mehrheit, wenn nicht alle Saudis, die in der Landwirtschaft arbeiteten, nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis standen, sondern selbstständig tätig waren. Zusammengenommen stellten saudische Staatsangehörige im Jahr 2010 nur 10,4 Prozent der gesamten Arbeitnehmerschaft in der Privatwirtschaft (SAMA, AR-2011, S. 207-217). Zieht man davon die Zahl der Selbstständigen und der "Geisterarbeiter" ab, so stellt sich der Beitrag saudi-arabischer Staatsangehöriger zur Produktivität des Privatsektors in vielen Bereichen bestenfalls als geringfügig heraus.

  2. Extrem niedrige Erwerbsquoten.

    Eines der hervorstechenden Merkmale der GCC-Rentenstaaten seit dem Ölboom sind die extrem niedrigen Erwerbsquoten (Kapiszewski 2001, S. 74; Saif 2009, S. 16-17). Im Fall von Saudi Arabien beispielsweise belief sich die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (20-64 Jahre) 2009 auf 8,45 Millionen (KSA, MEP, ASY-2009, Tabelle 2.2), die Erwerbsbevölkerung umfasste aber lediglich 4,29 Millionen Personen. Davon waren nur 3,84 Millionen auch tatsächlich beschäftigt – 3,333 Millionen Männer und 505.340 Frauen (SAMA, AR-2011, S. 203). Das bedeutet, dass insgesamt nur 40 Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wirklich auch in einem Beschäftigungsverhältnis standen. Ihr Anteil an der saudischen Gesamtbevölkerung (17,49 Millionen) betrug nur 21,9 Prozent, was einem Abhängigkeitsverhältnis von 1 zu 5 entsprach, d.h. ein Erwerbstätiger kam auf fünf nicht erwerbstätige Personen – das war einer der weltweit niedrigsten Werte. Im Fall von Katar umfasste die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im Jahr 2011 159.000 Personen, Männer und Frauen zusammengenommen, von denen 77,000 einer Arbeit nachgingen, also nur 48 Prozent. Das Abhängigkeitsverhältnis lag ebenfalls bei 1 zu 5 (Katar, SA, LFSS-2011:9).

    Gründe für die niedrigen Erwerbsquoten



    Drei Hauptfaktoren führten zu diesen extrem niedrigen Erwerbsquoten der einheimischen Bevölkerung der GCC-Staaten: Den ersten und wichtigsten Faktor bildet die extrem niedrige Frauenerwerbsquote. Offiziell existieren in keinem der GCC-Staaten mit Ausnahme von Saudi Arabien ausdrückliche rechtliche Restriktionen im Hinblick auf die Beschäftigung von Frauen. In der Praxis aber gelten viele Tätigkeitsbereiche als "für Frauen unangemessen". Obwohl die Obrigkeiten der GCC-Staaten in den letzten Jahren der Erwerbstätigkeit von Frauen offener gegenüberstehen, existieren weiterhin sogar in Bahrain und Oman, den Staaten, in denen der rentenökonomische Charakter am wenigsten ausgeprägt ist, sehr niedrige Frauenerwerbsquoten. Diese liegen in etwa nur halb so hoch wie diejenigen in anderen entwickelten Wirtschaften (Scott‐Jackson et al. 2010; Rutledge et al. 2011, S. 186; Harry 2007, S. 138; Zovighian 2012, S. 186).

    Der zweite Grund für die insgesamt niedrigen Erwerbsquoten in den GCC-Staaten ist das frühe Renteneintrittsalter im öffentlichen Sektor, das den Obrigkeiten ermöglicht, weiteren Staatsangehörigen eine Anstellung im öffentlichen Dienst zu verschaffen, wodurch sich insgesamt die Zahl derjenigen Staatsangehörigen erhöht, die die für den öffentlichen Sektor üblichen hohen Gehälter und Altersrenten beziehen. In Saudi Arabien liegt das offizielle Renteneintrittsalter im öffentlichen Sektor beispielsweise bei 55 Jahren (Wilson et al. 2004, S. 97). In Kuwait sieht es ähnlich aus. Hier sind Männer nach 20 Jahren und Frauen nach 15 Jahren Beschäftigung berechtigt, in Frührente zu gehen (Longva 2000, S. 183). Der dritte Grund für die niedrigen Erwerbsraten in den GCC-Ländern liegt in der breit aufgestellten Alterspyramide (wide-based age pyramid), deren Form auf einerseits anhaltenden hohen Geburtenraten und andererseits niedrigen rohen Sterberaten basiert. Folglich stellt die Bevölkerung unter 15-Jahren einen großen, wenn auch seit den 1980er Jahren etwas rückläufigen Anteil an der Gesamtbevölkerung. 2010 waren beispielsweise etwa ein Drittel der Bevölkerung in den GCC-Staaten unter 15 Jahre alt (Oman, MNE 2011; VAE, CBS 2010; KSA, CDSI 2008).

  3. Niedrige Produktivitätsraten.

    Aufgrund der Verfügbarkeit günstiger Arbeitskräfte befinden sich die Produktivitätsraten der GCC Wirtschaften auf einer Abwärtsspirale. (Al-Kibsi/Benkert/Schubert 2007, S. 22-23; Mashood/Verhoeven/Chansarkar 2009, S. 5; Al-Awad 2009, S. 6; Forstenlechner et al. 2012, S. 408; Hertog 2012, S. 75-77, 88-89). Die Regierung Saudi Arabiens bemerkte dieses Problem niedriger Produktivitätsraten und vermerkte in ihrem aktuellen Fünfjahresplan (2010-2014): "[…] trotz aller Bemühungen die Produktivität saudischer Arbeitskräfte zu erhöhen, ist sie [die Produktivität] weiterhin relativ niedrig" (KSA, MEP 2009, S. 175; Übersetzung durch die Redaktion). Solange in der Privatwirtschaft die Möglichkeit besteht, eine unbegrenzte Zahl billiger ausländischer Arbeitskräfte zu beschäftigen, auch wenn im Gegenzug aufgrund der Quotenregelungen ein bestimmter Prozentsatz einheimischer Arbeitnehmer eingestellt werden muss, besteht für private Arbeitgeber grundsätzlich kein Anreiz, Einheimische zu beschäftigen. Auf jeder beruflichen Ebene ist es immer günstiger ausländische statt einheimische Arbeitskräfte einzustellen. Daher ist für private Arbeitgeber die Quote, über die die Beschäftigung einheimischer Arbeitnehmer geregelt wird, nicht mehr als eine Steuer, nämlich die Kosten zu teilen, die durch die Beschäftigung einheimischer Arbeitskräfte entstehen. Folglich, wie von al-Kibsi, Benkert und Schubert (2007, S. 20) richtig bemerkt wird, hat die Verfügbarkeit billiger ausländischer Arbeitskräfte dazu geführt, "die Ausbildung einer qualifizierten einheimischen Arbeitnehmerschaft zu verzögern und die Entwicklung eines diversifizierten und produktiven Privatsektors zu verhindern, der die Beschäftigung neuer Mitarbeiter gewährleisten könnte" (Übersetzung durch die Redaktion). Vom Standpunkt der Einheimischen aus betrachtet, haben diese keinen Anreiz, in der Privatwirtschaft zu arbeiten, es sei denn, sie sind selbstständig. In vielen Fällen arbeiten Einheimische nur solange im Privatsektor, bis es ihnen gelingt, einen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst zu erlangen.

  4. Inadäquates Qualifikationsniveau und unzureichende berufliche Fähigkeiten.

    Vier Jahrzehnte nach dem Ölboom besetzen ausländische Arbeitskräfte sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor immer noch Schlüsselpositionen in der Mehrheit der Tätigkeitsfelder, die Fachkräfte erfordern. Dies liegt vor allem in einem Mangel an entsprechend ausgebildeten einheimischen Arbeitnehmern begründet. Viele sind der Auffassung, dass sich die Arbeitslosigkeit unter Einheimischen nur dann abschwächen lässt, wenn sich Bildung und Ausbildung verändern und an die Anforderungen des Arbeitsmarktes angepasst werden, wodurch einheimische Arbeitnehmer schließlich die ausländischen Fachkräfte ersetzen könnten. Die hohe Konzentration von Studierenden in den Geistes- und Sozialwissenschaften (vgl. z.B. Baldwin-Edwards 2011, S. 50-51) ist jedoch nur ein Spiegelbild des derzeitigen segmentierten Arbeitsmarktes in den GCC-Staaten. In der Praxis können die Staatsangehörigen der GCC-Staaten in der Privatwirtschaft nicht mit den viel günstigeren ausländischen Arbeitskräften konkurrieren. Der Wettbewerb entscheidet sich hier immer zugunsten der ausländischen Fachkräfte.

  5. Die große Zahl der Hausangestellten.

    Ein Hauptgrund für die große Zahl ausländischer Arbeitskräfte in den GCC-Staaten ist das weit verbreitete Phänomen der Beschäftigung von Hausangestellten (Awad 2009, S. 4). Offiziellen Daten aus Katar zufolge waren 2011 131.515 bzw. 11 Prozent der insgesamt 1.196.394 ausländischen Arbeitskräfte als Hausangestellte beschäftigt (Katar, SA, LFSS-2011, S. 37). Auch Kuwait weist eine sehr große Zahl an Hausangestellten auf, die das hohe familiäre Einkommensniveau widerspiegeln. Im Jahr 2007 waren 24% aller ausländischen Arbeitnehmer in Kuwait im Bereich häuslicher Dienstleistungen tätig (Shah 2007, S. 7). Faktisch sind die GCC-Staaten weltweit die einzigen Länder in denen der Mittelstand Hausangestellte beschäftigt. Die Zahl der Angestellten, die man im Haushalt beschäftigt, gilt als Statussymbol. In einigen Fällen gibt es mehr Hausangestellte als Familienmitglieder.

Auswirkungen

Das Resultat dieser "fünf rentenökonomischen Verzerrungen" des Arbeitsmarktes ist, dass die Zahl ausländischer Arbeitskräfte kontinuierlich steigt und das unabhängig von der Beschäftigungssituation der einheimischen Arbeitnehmer. Dies ist die Besonderheit des segmentierten Arbeitsmarktes in den GCC-Staaten. 2010 waren rund 500.000 saudische Staatsangehörige arbeitslos (al-Sulami 2011). Die Arbeitslosenquote unter Jugendlichen belief sich auf 30,2 Prozent (de Kerros 2011). In den VAE lag die Arbeitslosenquote 2010 bei 7,8 Prozent, wobei die Gruppe der männlichen Berufsanfänger eine deutlich über diesem Wert liegende Arbeitslosenrate von 17,9 Prozent verzeichnete (ESCWA 2011, S. 17). Anfang des Jahres 2010 waren rund 435.000 einheimische Hochschulabsolventen in den GCC-Staaten arbeitslos (Salama 2010). Forstenlechner und Rutledge (2010, S. 38) ziehen eine klare Verbindung zwischen der zunehmenden Arbeitslosigkeit unter jugendlichen GCC-Staatsangehörigen und deren rentenökonomischer Mentalität (rentier mentality): "[…] Einheimische entscheiden sich dafür, arbeitslos zu bleiben, bis sie einen Job im Staatsdienst erhalten" (Übersetzung durch die Redaktion). Die Unterschiede hinsichtlich der Arbeitslosenquote von Berufsanfängern und älteren Staatsangehörigen liegen darin begründet, dass Arbeitslosigkeit nur noch in seltenen Fällen auftritt, wenn erst einmal ein Arbeitsplatz im öffentlichen Sektor gefunden wurde.

Faktisch hat das rentenökonomische System eine Situation geschaffen, in der die einheimischen Arbeitskräfte für die Privatwirtschaft fast vollkommen irrelevant geworden sind. In vielerlei Hinsicht ist daher Foley (2010, S. 198) zuzustimmen: "Trotz der massiven Investitionen der Golfstaaten in das Bildungssystem, die Schaffung von Arbeitsplätzen und Programme, die einheimische männliche Arbeitnehmer unterstützen und bevorzugen, hat sich die Rolle männlicher Staatsangehöriger in der Golf-Region in Bezug auf die Erfüllung der Anforderungen des Arbeitsmarktes seit den 1970er Jahren nicht merklich verbessert" (Übersetzung durch die Redaktion). Nur im öffentlichen Sektor hat ein massiver Austausch von Arbeitnehmern aus anderen arabischen Staaten durch Einheimische stattgefunden. Für diese Entwicklung findet sich eine einfache Begründung: Im öffentlichen Dienst müssen die Staatsangehörigen der GCC-Länder nicht mit ausländischen Arbeitnehmern konkurrieren, da sie klar bevorteilt werden. Außerdem wird die Zahl neu einzustellender Staatsangehöriger im öffentlichen Sektor hauptsächlich politisch reguliert, auch wenn das bedeutet, dass dadurch versteckte Arbeitslosigkeit und Ineffizienz zunehmen. Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass die Erwerbsquoten von Männern und Frauen in den GCC-Staaten dann besonders niedrig liegen, wenn die Pro-Kopf-Renteneinkünfte hoch sind. Gleichzeitig bedeuten hohe Renteneinkünfte auch ein Mehr an Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst.

Das Kafala-System und seine Bedeutung für die Arbeitsmigration in den GCC-Staaten

Das Kafala- bzw. Bürgschaftssystem bildet die rechtliche Grundlage für den Aufenthalt und die Beschäftigung von Arbeitsmigranten und den sie begleitenden Familienangehörigen in den GCC-Staaten. Diesem System zufolge ist jede/r Arbeitsmigrant/-in an einen spezifischen Arbeitgeber (kafil) gebunden, der für die Beschaffung des Arbeitsvisums verantwortlich ist, den Migranten oder die Migrantin während seines/ihres Aufenthalts überwacht und sogar die Ausreise nach Auslaufen des Arbeitsvertrags bewilligt.* Im öffentlichen Sektor übernimmt die jeweilige staatliche Einrichtung, die den ausländischen Arbeitnehmer beschäftigen möchte, die Rolle des kafils. Zieht der kafil seine Rolle als Bürge zurück, so entfällt die legale Basis für den Aufenthalt des Arbeitsmigranten/der Arbeitsmigrantin und er/sie muss umgehend in sein/ihr Heimatland zurückkehren.

Folglich sind Arbeitsmigranten vertraglich an ihre Arbeitgeber gebunden (Baldwin-Edwards 2011, S. 37; Ruhs 2009, S. 19; Shah 2009, S. 7). Die Rechte der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hängen maßgeblich von zwei Elementen ab: Erstens von ihren beruflichen Fähigkeiten und den Möglichkeiten des Arbeitgebers einen adäquaten Ersatz für den ausländischen Arbeitnehmer bzw. die Arbeitnehmerin zu finden, ihn bzw. sie also auszutauschen. Zweitens bestimmt auch die Nationalität des Arbeitsmigranten über seine Rechtslage. Fachkräfte aus westlichen Industriestaaten, die als Ingenieure oder Führungskräfte in großen Unternehmen arbeiten, genießen umfassende Rechte und laufen nicht Gefahr, ausgebeutet oder unterdrückt zu werden.

Anders sieht die Situation asiatischer Frauen aus, die als Hausangestellte beschäftigt werden. Sie zählen zur Gruppe der weitgehend rechtlosen Arbeitsmigranten. Sie erhalten nicht nur extrem niedrige Gehälter von $100-$200 im Monat, sondern werden häufig auch von ihren Arbeitgebern ausgebeutet und misshandelt. Einige Botschaften von Ländern, aus denen viele Hausangestellte stammen, unterhalten sogar Schutzhäuser für eigene Staatsangehörige, die vor ihren Arbeitgebern fliehen, weil diese die Löhne nicht auszahlen oder ihre Angestellten körperlich misshandeln (U.S. Department of State 2008, S. 2152). Die rechtlosen Angestellten können ihren Arbeitsplatz ohne die Erlaubnis des Arbeitgebers nicht wechseln und sind in ihrer physischen Mobilität eingeschränkt, ihnen stehen in vielen Fällen nur inadäquate Wohnbedingungen und eine unzureichende Gesundheitsversorgung zur Verfügung. Oftmals behält der kafil den Pass seiner ausländischen Angestellten ein, damit diese nicht davonlaufen können (Okruhlik 2011, S. 127; HRW 2011). Ursprünglich sollte das Kafala-System dazu dienen, in Zeiten wirtschaftlicher Prosperität schnell ausländische Arbeitnehmer rekrutieren zu können und sie im Falle einer Rezession ebenso schnell wieder in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Viele Arbeitsmigranten verbleiben jedoch über lange Jahre in den GCC-Staaten.

Jüngst haben die GCC-Länder realisiert, dass das Kafala-System weitgehend gescheitert ist, da es nicht zu der ursprünglich angestrebten besseren Kontrolle über die Zahl ausländischer Arbeitskräfte geführt hat, sondern deren Zahl aufgrund der Vorteile, die private kafils (Bürgen) aus dem bestehenden System ziehen, stetig zugenommen hat. Bahrain hat im Jahr 2009 die Bestimmungen des Kafala-Systems gelockert, so dass es Arbeitsmigranten nun erlaubt ist, den Arbeitgeber auch ohne die Zustimmung des ursprünglichen Arbeitgebers zu wechseln. Der Arbeitnehmer muss allerdings eine Kündigungsfrist von drei Monaten einhalten, d.h. seinen Arbeitgeber rechtzeitig über den Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber informieren (Al-Hasan 2012, S. 109-110). In den VAE haben sich die Bestimmungen des Kafala-Systems zwar nicht verändert, die Obrigkeiten haben aber jüngst Maßnahmen zum Entgeltschutz erlassen, wonach private Arbeitgeber den Lohn ihrer ausländischen Angestellten nun direkt auf deren Konto überweisen müssen. Dadurch soll zukünftig gewährleistet werden, dass Klagen wegen Nichtauszahlung von Löhnen besser überprüft werden können (Migration News, Januar 2012). In jedem Fall gilt aber: "Egal ob ausländische Arbeitskräfte für kurze oder lange Zeit in den Golfstaaten verbleiben oder sogar hier geboren sind, sie können nicht ohne einen einheimischen Bürgen in den GCC-Staaten leben" (Naufal 2011, S. 30; Übersetzung durch die Redaktion).

*Touristen sind von diesen Regelungen ausgenommen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. "Geisterarbeiter" werden Arbeitnehmer bezeichnet, die nur scheinbar von einem Arbeitgeber im Privatsektor angestellt werden, um die Quote zu erfüllen, die von den Obrigkeiten festgelegt wird. Al-Kibsi, Benkert und Schubert (2007, S. 25) bemerken in dieser Hinsicht: "Einige Unternehmen entscheiden sich bewusst dafür, leistungsschwache [einheimische] Arbeitskräfte anzustellen, um die Quote zu erfüllen, und fordern diese dann auf, zu Hause zu bleiben" (Übersetzung durch die Redaktion).

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Onn Winckler ist Professor am Department of Middle Eastern History an der Universität Haifa. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich politische Demographie und Wirtschaftsgeschichte des Mittleren Ostens.
E-Mail Link: owinkler@univ.haifa.ac.il